Kann ich mich gegen klassenübergreifendes Lernen wehren?

 

Ratgeber
Freitag, 26. August 2011 02:28
 
Meine Tochter besucht die vierte Klasse einer Gemeinschaftsschule in Berlin. Ab kommendem Schuljahr sollen die vierte bis sechste Klasse im Rahmen von Jül zusammen unterrichtet werden, und es soll keine Noten mehr geben. Kaum ein Elternteil ist damit einverstanden. Was können wir als Eltern dagegen unternehmen? Sven W., per E-Mail

Ziel der 2008 eingeführten, nunmehr rund 20 Gemeinschaftsschulen in Berlin ist es, durch längeres gemeinsames Lernen zu einer besseren und gerechteren Förderung und Entwicklung der Schüler beizutragen. Das Modellprojekt, für das sich die Eltern mit der Anmeldung entschieden haben, ist als Ganztagsschule angelegt, unterschiedliche Bildungsgänge gibt es in der Sekundarstufe I nicht. Auch finden die Regelungen zum Übergang von der Grundschule zur Oberschule (Förderprognose, Beratungsgespräch) keine Anwendung. Bis einschließlich Jahrgangsstufe 8 kann "der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler durch geeignete schriftliche Informationen zur Lern- und Leistungsentwicklung beurteilt werden" (§ 17 VI SchulG), was bedeutet, dass notenbasierte Zeugnisse nicht vorgeschrieben sind.

Prinzipiell ist auch ein jahrgangsübergreifendes Lernen der Stufen 4 bis 6 möglich. Was konkret für die einzelne Projektschule gilt, hängt von ihrem Schulprofil und -programm ab. Hier werden die pädagogischen und didaktischen Vorhaben der Schule und die sich daraus ergebenden Grundsätze für die Organisation von Schule und Unterricht formuliert. Das Schulprogramm wird in der Schulkonferenz, dem höchsten Entscheidungsgremium einer Schule, beschlossen, die annähernd paritätisch besetzt ist. Die Verabschiedung oder Änderung des Schulprogramms bedarf einer Zweidrittelmehrheit in der Schulkonferenz, was die Einflussmöglichkeiten der Eltern noch steigert. Selbst die besten Programme werden aber scheitern, werden sie nicht von Anfang an mit den notwendigen finanziellen Mitteln sowie personellen und räumlichen Kapazitäten ausgestattet. Dem wird sich eine verantwortungsbewusste Schule genauso wenig aussetzen wollen, wie eine Umstrukturierung gegen den erklärten Willen einer breiten Mehrheit in der Elternschaft.

André Nogossek ist Mitglied im Landeselternausschuss Berlin


http://www.morgenpost.de/familie/expertenfrage/article1744265/Kann-ich-mich-gegen-klassenuebergreifendes-Lernen-wehren.html