Darf die Lehrerin über die Ferien Lernstoff aufgeben?
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- Veröffentlicht: Montag, 10. Januar 2011 12:01
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RATGEBER
Freitag, 23. Juli 2010 02:25
Die Klassenlehrerin meines Sohnes (1. Klasse) hat uns für die Ferien eine Liste mitgegeben, welche Seiten im Mathe- und Deutsch-Arbeitsheft wir bis nach den Ferien durcharbeiten sollen - mit dem Argument, mein Sohn sei im Stoff so weit zurück. Ich finde, es kann nicht Aufgabe der Eltern sein, neuen Lernstoff während der Ferien einzuüben, zumal das nicht nur meinen Sohn, sondern etwa die Hälfte der Klasse betrifft. Wie sehen Sie das? Lena G., Wannsee
Alle Schüler haben ein Anrecht, sich von dem schulischen Lernen, dem Leistungsdruck, zu erholen. Nach der als Orientierungsrichtlinie geltenden Ausführungsvorschrift über Hausaufgaben sind diese von den Kindern selbstständig zu bewältigen und dürfen nicht über die Ferien aufgegeben werden. Es ist also nicht die Aufgabe von Eltern, als preiswerte Ersatzlehrer zu fungieren, zumal dadurch die Chancenungleichheit für Kinder aus "bildungsfernen" oder einkommensschwächeren Schichten weiter zementiert würde.
Erstaunlich ist, dass wohl erst am Ende des Schuljahres mutmaßliche Lernrückstände thematisiert wurden. Hier scheinen Sinn und Zweck der Schulanfangsphase (Saph), in der die ersten beiden Jahrgänge eine pädagogische Einheit bilden, verkannt oder aufgrund Personalmangels nicht umgesetzt worden zu sein. Die Saph soll an die individuelle Ausgangslage der Kinder anknüpfen und durch differenzierte Lernangebote eine gezielte Förderung ermöglichen. Der Lernfortschritt ist von den Lehrern in einem "Lerntagebuch" kontinuierlich festzuhalten. Besondere Fördermaßnahmen sind stets auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes abzustimmen und die Eltern hierüber rechtzeitig und umfassend zu informieren. Gegebenenfalls wird ein individueller Förderplan erstellt und eine Bildungs- und Erziehungsvereinbarung getroffen. Bei all dem ist ausdrücklich anerkannt, dass jedes Kind über eine eigene Belastbarkeit und ein eigenes Lerntempo verfügt.
Nicht zuletzt: Da in Ihrem Fall viele Kinder betroffen sind, darf davon ausgegangen werden, dass der noch notwendige Lernstoff nach den Ferien vom schulischen Fachpersonal vermittelt werden kann.
André Nogossek ist Mitglied im Landeselternausschuss Berlin